Diebstahlprävention im Einzelhandel: Der Blick in die Handtasche

 

Der deutsche Einzelhandel leidet unter den finanziellen Folgen, die Ladendiebstähle verursachen. Waren im Wert von bis zu zwei Milliarden Euro werden jährlich aus den Regalen genommen, ohne dass sie ordnungsgemäß an der Kasse bezahlt werden. Bei den Langfingern besonders beliebt sind Elektrogeräte, Smartphones, aber auch Kosmetikartikel, Parfüms sowie alkoholische Getränke. Vermehrt nutzen Einzelhändler daher spezielle Sicherheitsschränke, sodass der Kunde die gewünschte Ware nur auf Anfrage ausgehändigt bekommt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass manche Kunden dadurch das Gefühl gewinnen können, selbst unter Generalverdacht zu stehen. Im Gegensatz zum Onlinehandel besteht der Reiz des Einzelhandels gerade darin, die Waren direkt vor Ort begutachten zu können. Die Balance zwischen Vertrauen schenken und Straftaten eindämmen ist nicht einfach herzustellen.

Zunehmend werden Sicherheitsmitarbeiter beschäftigt, deren Aufgabe darin besteht, im Hintergrund gegen Ladendiebstähle vorzugehen. Der Sicherheitsdienst soll einerseits präventiv abschrecken. Diebe sollen aufgrund der Präsenz bereits davon abgehalten werden, ihren Tatplan umzusetzen. Andererseits sollen vollendete Delikte noch an Ort und Stelle aufgeklärt und zur Anzeige gebracht werden. Die rechtlichen Befugnisse der Mitarbeiter sind allerdings nicht sehr weit gefasst.

Wenn Hausrecht und Persönlichkeitsrecht miteinander kollidieren:

Handtaschen oder Rucksäcke sind nützliche Utensilien, um bei einer ausgiebigen Shoppingtour ausreichend Stauraum für die erworbenen Waren zu haben. Für Langfinger sind sie hingegen das ideale Beuteversteck, weil sie den Laden nicht mit dem Diebesgut in der Hand verlassen müssen. Schlägt die Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich allerdings Alarm oder hat der Ladendetektiv ein sonderbares Verhalten bei einem Kunden festgestellt, ist oftmals der Blick in die Tasche der einzige Schlüssel zur Wahrheit. In diesem Moment trifft das Hausrecht des Einzelhändlers auf das Persönlichkeitsrecht des Kunden. Der Bundesgerichtshof hat vor etwa 25 Jahren schon entschieden, dass die Taschenkontrolle einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.11.1993, Az. VIII ZR 106/93).

Das bedeutet, dass Sicherheitsmitarbeiter keine Rechtsgrundlage haben, um gegen den Willen des Kunden einen Blick in seine Tasche zu werfen. Das Hausrecht des Ladeninhabers muss dahinter zurückstehen. Wer den Inhalt der Tasche prüft, wobei er den Kunden am Fortgehen hindert, muss unter Umständen ein deutliches Schmerzensgeld an diesen bezahlen.

Das Hoheitsrecht der präventiven und repressiven Kriminalarbeit genießt in Deutschland die Polizei. Die Beamtinnen und Beamten dürfen auch gegen den Willen des Betroffenen einen Blick in die Tasche werfen, sofern der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Selbstverständlich darf auch der Staat, der zur Wahrung der Grundrechte seiner Bürger verpflichtet ist, nicht willkürlich handeln.

Das Problem besteht allerdings darin, dass die Polizei in der Regel nicht umgehend am vermeintlichen Tatort eintreffen kann. Es stellt sich damit die Frage, wie mit dem Verdächtigen zu verfahren ist. Gemäß § 127 StPO (Strafprozessordnung) hat Jedermann, somit auch der Ladendetektiv, ein vorläufiges Festnahmerecht, wenn „jemand auf frischer Tat betroffen“ wird. Und an das Merkmal „auf frischer Tat“ sind hohe Anforderungen zu stellen. Das Festnahmerecht legitimiert dann ausschließlich zum Festhalten bis die Polizei eintrifft. Keineswegs dürfen sich Sicherheitsdienstleister über die Norm vom Inhalt der Tasche selbst überzeugen.

Vorsicht bei AGB-Regelungen:

In manchen Einzelhandelsgeschäften werden die Kunden durch Hinweisschilder oder Allgemeine Geschäftsbedingungen auf Taschenkontrollen durch Personal oder externe Mitarbeiter aufmerksam gemacht. Diese Regelungen sind nicht dazu geeignet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu durchbrechen. Sie können einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten, sodass der Kunde unter Umständen rechtliche Ansprüche wegen einer rechtswidrigen Maßnahme geltend machen kann. Der Verbraucher darf nicht unangemessen benachteiligt werden, was den Kampf gegen Ladendiebstähle sicherlich auch in Zukunft nicht einfacher machen wird.

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